„Ohrenöffner für die Pflege“
Interview mit Petra Zarbock, Universitätsklinikum Mannheim
Fachkräftemangel, Pflegenotstand, Personaluntergrenzen. Die Gesundheitsbranche befindet sich momentan im Wandel, was für eine Verunsicherung der Mitarbeiter in Krankenhäusern sorgt. Petra Zarbock vom Universitätsklinikum Mannheim fordert ein offenes Ohr für die Sorgen und Probleme der Pflegekräfte.
Wie wirken sich die Veränderungen in der Gesundheitsbranche auf die Mitarbeiter in den Krankenhäusern aus?
Wir spüren im gesamten Krankenhausbereich, aber auch in der Pflege eine hohe Belastung, psychisch wie körperlich. Und es gibt eine hohe Verunsicherung. Viele fragen sich, was sich durch die neue Regelung verändern wird und ob es sich bei den Untergrenzen um eine rote Linie oder um Anhaltszahlen handelt. Die Untergrenzen bergen unter den Berufsgruppen Konflikte. Eine Berufsgruppe ohne Untergrenze beschwert sich, warum es für andere eine Regelung gibt. Diese Konflikte darf man tatsächlich nicht unterschätzen.
Und was können Arbeitgeber tun, um Veränderungen, wie beispielsweise die Personaluntergrenzen, für Mitarbeiter angenehmer zu gestalten?
Grundsätzlich müssen wir viel informieren. Wir müssen sagen, wie wir diese Untergrenzen verstehen, wie wir sie auslegen und welche Konsequenzen folgen werden. Wir müssen erklären, ob es dadurch mehr oder weniger Personal geben wird. In unserer Klinik gibt es beispielsweise Bereiche, in denen wir über den Untergrenzen liegen. Dadurch haben manche Mitarbeiter die Befürchtung, dass wir Stellen abbauen könnten. Das ist aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht beabsichtigt. Und es ist wichtig, dass wir die Führungskräfte mit ins Boot holen. Auch die sind über das Thema noch nicht intensiv informiert. Die Führungskräfte können entsprechend in den einzelnen Bereichen einwirken, damit die Verunsicherung nicht zusätzlich geschürt wird.
Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wechseln viele Pflegekräfte nach einigen Jahren aufgrund von Überbelastung den Beruf. Wie kann man diese Personen entlasten?
Ich glaube, dass zum einen immer wieder ausgesprochen werden muss, wie sehr man die Mitarbeiter schätzt und wie wichtig sie für das Unternehmen sind. Aber man muss sie auch unterstützen, indem man zum Beispiel Hilfskräfte und Servicekräfte einsetzt. Diese können die hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Tätigkeiten, die auch jemand mit geringerer Ausbildung übernehmen kann, unterstützen. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Dienstpläne Planungssicherheit haben. Der ständige Wechsel von Früh-, Spät- und Nachtschicht und das ständige Einspringen sind kontraproduktiv. Wir müssen uns Ausfallkonzepte überlegen, die die Dienstpläne verbindender machen, und natürlich umsetzen, damit der Mitarbeiter in der Pflege besser planen kann. Und vor allen Dingen müssen wir den Pflegekräften zuhören. Das ist eine wichtige Sache. Und sie müssen das Gefühl haben, dass wir nicht nur zuhören, sondern auch Konsequenzen daraus ziehen. Und zwar nicht immer dadurch, dass es mehr Personal gibt, sondern beispielsweise durch die Veränderung von Abläufen. Ich glaube, das sind unsere Ohrenöffner für die Bedürfnisse der Pflege.
Das Mannheimer Universitätsklinikum wurde schon mehrfach für das hervorragende Ausbildungsangebot ausgezeichnet. Was macht die Ausbildung im Mannheimer Uniklinikum so besonders?
Wir sind ein Universitätsklinikum, das ein breites Spektrum anbietet. Bei uns gibt es nicht nur die Chirurgie oder die Innere. Wir bieten den jungen Menschen eine Möglichkeit, alles kennenzulernen, was medizinisch und auch in den anderen Bereichen möglich ist. Außerdem haben wir die theoretische Ausbildung bei uns im Haus in den letzten zwei bis drei Jahren extrem verbessert und setzen mehr Lehrkräfte ein. Die Durchfallquote der Auszubildenden liegt in unserem Haus unter dem Durchschnitt. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir eine gute theoretische, aber auch praktische Ausbildung anbieten. Wir haben eine Akademie gegründet, die alle Ausbildungsberufe vereint. Und speziell im Pflegebereich haben wir ein bundesweit einmaliges Projekt auf den Weg gebracht, die Mannheimer interprofessionelle Ausbildungsstation (MIA). MIA vereint Berufsgruppen wie Pflege, Physiotherapie und Ärzte in Ausbildung. Alle machen einen Teil ihrer Ausbildung dort gemeinsam. Fälle werden im Echtbetrieb besprochen und von ausgebildeten Kräften supervidiert. Die Teilnehmer dürfen Patienten selbst versorgen, sind dabei beaufsichtigt, dürfen Entscheidungen treffen und sich auf den Alltag vorbereiten. Ich glaube, dass das ein großes Erfolgsmodell ist.
Und wie kann man junge Menschen heutzutage generell wieder für den Pflegeberuf begeistern?
Ich glaube, das liegt sehr bei der Pflege selbst. Die Pflege selbst muss rausgehen. Ich als Personalchefin kann relativ wenig dazu beitragen. Die Pflegekräfte selbst müssen für ihren Nachwuchs werben. Und im Moment sind wir in einer Phase in Deutschland, in der Pflegekräfte eher erklären, wie schlimm es im Pflegebereich ist. Dadurch werden wir immer weniger Jugendliche für den Beruf gewinnen können. Unsere Aufgabe als Verantwortliche wird es sein, die Pflege als Werbeträger zu gewinnen.
Welche Veränderungen würden Sie sich von der Politik wünschen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Die Pflege ist sehr speziell. Die Politik sollte noch mal darüber nachdenken, ob die neue Ausbildungsform, die ab nächstem Jahr eingeführt wird, der richtige Weg ist. Wir haben bis jetzt drei Ausbildungszweige: Altenpflege, Krankenpflege, Kinderkrankenpflege. Diese müssen jetzt in eine Ausbildung gepackt werden. Jedoch möchte der Mitarbeiter sich gern spezialisieren, weil er das besonders gut kann. Ich würde mir von der Politik wünschen, dass man noch mal über die generelle Ausbildung nachdenkt. Ich würde mir aber auch wünschen, dass die Spezialisierungen in der Pflege entsprechend von den Tarifvertragsparteien gewürdigt werden. Sie sollten im Tarifvertrag abgebildet werden, um uns als Krankenhaus die Möglichkeit zu geben, die Mitarbeiter richtig einzugruppieren. Außerdem gibt es auch in anderen Bereichen, beispielsweise bei den Ärzten oder im administrativen Bereich, einen Fachkräftemangel. Es wäre gut, wenn sich die Politik nicht ausschließlich auf die Pflege konzentrieren würde. Ein Krankenhaus kann nur existieren, wenn alle Berufe dort vorhanden sind. Deshalb muss grundsätzlich gefördert werden, damit die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus verbessert werden können.
Petra Zarbock ist seit zwei Jahren Geschäftsbereichsleiterin in der Uniklinik Mannheim mit den Schwerpunkten Restrukturierungen der Personalabteilungen sowie Aufbau und Umsetzung von mitarbeiterorientierten Kommunikationsstrategien. Sie ist das Bindeglied zwischen Geschäftsleitung, Mitarbeitern und Mitarbeitervertretung.
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