Christian Twardy By Nils Lucas

Behutsame Digitalisierung – Arbeiten 4.0 im Krankenhaus

Personalentwicklung

Von KlinikRente | Fotos: Nils Lucas — 15.02.2018

Behutsame Digitalisierung – Arbeiten 4.0 im Krankenhaus

Interview mit Christian Twardy, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Leiter des Referats Tarifpolitik im Marburger Bund


Wie sieht die Zukunft der Ärztinnen und Ärzte im digitalen Krankenhaus aus? Christian Twardy vom Marburger Bund über die Tragweite von Digitalisierungsentscheidungen, über entstehende Erwartungen und Missverständnisse – und die sich ergebenden Chancen.

KlinikRente: Was bedeutet aus Sicht des Marburger Bundes Arbeit 4.0 im Krankenhaus? Was wird sich verändern?

Christian Twardy: Arbeiten 4.0 stellt eine gewaltige Herausforderung für alle Beteiligten an der Gesundheitsversorgung dar. Wir glauben, dass die sorgfältige Abwägung von Chancen und Risiken bei jeder hiermit in Zusammenhang stehenden Entscheidung von enormer Wichtigkeit ist.

Neben den Arbeitsmitteln – etwa durch neue technische Möglichkeiten bei der Behandlung – werden sich insbesondere die Ansprüche und Erwartungen an die Beschäftigten verändern. Seien es nun die Erwartungen, welche die Patienten an die Beschäftigten stellen, oder jene, die arbeitgeberseitig geäußert werden. Wir tun gut daran, die Digitalisierung nicht auf vermeintlich notwendige Flexibilisierungen der arbeitszeitrechtlichen Regelungen zu reduzieren.

Welche Rolle spielen Ärztinnen und Ärzte bei zunehmender Digitalisierung?

Ich sehe Ärztinnen und Ärzte in erster Linie als Gestalter der Digitalisierung. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Einführung neuer medizinischer Behandlungsmethoden als auch hinsichtlich notwendiger ethischer Grundentscheidungen. Und ich rate dringend, die Vorsicht und Behutsamkeit, mit denen Ärztinnen und Ärzte bestimmten Entwicklungen begegnen, nicht mit einer fehlenden Bereitschaft zu verwechseln. Digitalisierung im Krankenhaus kann nur mit einer Einbindung der Beschäftigten gelingen.

Christian Twardy By Nils Lucas

Dr. Watson – willkommene Hilfe oder ernsthafte Konkurrenz?

Der Marburger Bund hat sich grundsätzlich positiv zur Einbeziehung entscheidungsunterstützender Systeme in die medizinische Versorgung ausgesprochen. Aber auch hier gilt, dass bestimmte Voraussetzungen zwingend erfüllt sein müssen. Etwa, dass eine strikte Ausrichtung auf den Behandlungserfolg und nicht etwa auf bestimmte monetäre Erwartungen zu erfolgen hat. Am Ende muss zudem gelten, dass der Arzt und nicht die Maschine das Letztentscheidungsrecht hat.


Welche Auswirkungen wird Arbeit 4.0 auf zukünftige Arbeitsverhältnisse und Lohntarife haben?

Wir beobachten, dass gerade auch im Rahmen des Dialogprozesses „Arbeiten 4.0“ des BMAS Erwartungen an die Beschäftigten – etwa im Hinblick auf ihre Flexibilität – formuliert wurden. Ich glaube, dass eine Verkürzung auf solche Erwartungen den Herausforderungen nicht ansatzweise gerecht wird und vielmehr einen Versuch darstellt, Arbeitnehmerschutzrechte auszuhöhlen. Hinsichtlich der Entgeltentwicklung rechne ich nicht mit unmittelbaren Auswirkungen, zumal auch im digitalisierten Krankenhaus die Leistungen durch die Beschäftigten erbracht werden.


Wie müssen sich Unternehmen im Gesundheitswesen auf die neue Arbeitswelt einstellen?

Die Unternehmen sollten anfangen, ihre Beschäftigten nicht als Kostenstelle zu betrachten, sondern als zentralen Faktor für die zukunftsfähige Gestaltung der Krankenversorgung. Vor allem aber sollten die Unternehmen, stärker noch als bisher, versuchen, den digitalen Wandel mitzugestalten und nicht erstaunt zu betrachten.


Was wünschen Sie sich von der Arbeitswelt der Zukunft?

Unsere Befragungen zeigen, dass sich die Ärzte zuerst und vor allem mehr Zeit wünschen. Zeit für die Behandlung ihrer Patienten, Zeit für die Vereinbarung von Beruf und Privatleben, Zeit für fachliche Entwicklung. Ich wünsche mir, dass die Digitalisierung hier einen Beitrag leisten kann.


Als stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Leiter des Referats Tarifpolitik im Marburger Bund beschäftigt sich Christian Twardy unter anderem mit arbeits- und tarifrechtlichen Fragen der Digitalisierung im Krankenhaus. Der Volljurist hat vor seiner Tätigkeit im Marburger Bund bei der DBB-Tarifunion und als Syndikus im Tarifreferat des Marburger-Bund-Bundesverbandes gearbeitet.