Peter Bechtel by Patrick Schulze

Neupositionierung der professionellen Pflege

Personalentwicklung

Von KlinikRente | Fotos: Patrick Schulze — 14.05.2020

Neupositionierung der professionellen Pflege

Hinweis:
Dieses Interview entstand im Rahmen des 15. Personalkongresses der Krankenhäuser im Oktober 2019 und ist demnach in Teilen nicht mehr aktuell. Die Aussagen des Interviewpartners beziehen sich auf die damalige Situation. Bitte beachten Sie dies beim Lesen des Textes.

Interview mit Peter Bechtel, Bundesverband Pflegemanagement e. V.

Der Bundesverband Pflegemanagement fordert die Positionierung der professionellen Pflege als gleichberechtigten Partner im Gesundheitssystem. Doch was bedeutet das genau? Peter Bechtel, Vorsitzender des Bundesverbands, erklärt im Interview, warum Pflegekräfte mehr Verantwortung bei der Behandlung von Patienten erhalten sollten.


Welche Auswirkungen hat die Pflegereform auf aktuelle Probleme innerhalb des Pflegebereichs?

Die Pflegereform der Regierung ist sicherlich dazu gehalten, einige Probleme in der Pflege zu lösen. Dennoch glaube ich, dass noch Korrektur- und Ergänzungsbedarf besteht. In der Pflege wurden noch nie innerhalb so kurzer Zeit so viele Gesetze auf den Weg gebracht, wodurch die Situation in manchen Bereichen eher verschärft als verbessert wurde. Beispielsweise führt der Abbau von Servicekräften dazu, dass Pflegekräfte wieder vermehrt hauswirtschaftliche Tätigkeiten übernehmen.

In Teilen sind die Ansätze sicherlich positiv, zum Beispiel der Ausgleich der Tarifsteigerungen in der Pflege durch diagnosebezogene Fallgruppen. Ich persönlich finde es schwierig, die Reform der Pflege zu bewerten, da sich die positiven und negativen Auswirkungen meines Erachtens in der Waage halten.

Der Bundesverband Pflegemanagement fordert in der Version der Gesundheitsversorgung 2025 die Positionierung der professionellen Pflege als gleichberechtigten, zentralen Partner im Gesundheitssystem. Wie soll diese Vision konkret umgesetzt werden?

Blickt man vom heutigen Standpunkt in die Zukunft, dann sieht man nicht nur einen Fachkräftemangel bei den Pflegenden, sondern auch bei den Ärzten. Bereits heute gibt es viele Bereiche, in denen Pflegekräfte selbstständig ohne die Leitung eines Arztes arbeiten müssen. Was allerdings noch fehlt, ist eine klare Delegation und Substitution. Es fehlt an einer selbstständigen Ausübung von Heilkunde durch qualifizierte Pflegekräfte. Wenn man die demografische Entwicklung unserer Bevölkerung betrachtet, erkennt man schnell, dass wir immer älter werden, wodurch es natürlich auch vermehrt chronisch kranke Menschen gibt und geben wird. Ich glaube, dass dieses Thema nur gemeinsam mit Ärzten und Pflegekräften zu bewältigen ist.

Peter Bechtel by Patrick Schulze

Anfang des Jahres hat der Bundesverband ein Bundesinstitut für Pflege gefordert. Was würde die Gründung eines solchen Instituts bringen?

Unsere Sorge besteht darin, dass die von unserer Regierung beschlossene „Konzertierte Aktion Pflege“, in der weitere Maßnahmen in einem Masterplan festgeschrieben sind, in Vergessenheit gerät. Schließlich werden in den Jahren 2020 und 2021 wieder ganz andere Themen auf der Tagesordnung stehen. Durch ein Bundesinstitut für Pflege könnten wir verfolgen, welche Maßnahmen der „Konzertierten Aktion Pflege“ wirklich umgesetzt wurden und wie sich diese Maßnahmen entwickelt haben. Es gibt bereits einige Bundesinstitute, die bestimmte Dinge nachhalten. Vielleicht wäre es angebracht, das Thema Nachhaltigkeit auch in der Pflege einzuführen.

Wie sähe die Arbeit dieses Bundesinstituts konkret aus?

Das Bundesinstitut müsste zentralisiert in Berlin ansässig sein, um möglichst nah am politischen Geschehen zu sein. Innerhalb des Instituts sollte es Ressorts für einzelne Bereiche wie beispielsweise Ausbildung, Arbeitsbedingungen oder tarifliche Entlohnung geben. Auch die verschiedenen Typen der Pflege sollten dort vertreten sein, da sich diese in ihrem Alltag mit sehr unterschiedlichen Problemen beschäftigen. So gäbe es je ein Ressort für die ambulante Pflege, die Altenpflege und die Reha-Pflege. Innerhalb der Ressorts sollten Spezialisten arbeiten. Damit beziehe ich mich nicht nur auf Wissenschaftler, sondern auch auf Menschen mit einem pragmatischen Hintergrund, die bereits in der Pflege gearbeitet haben. Wir möchten Wissenschaft und Praxis kombinieren. Nur so kann ein solches Projekt unserer Meinung nach überhaupt gelingen.

Vor welchen drei großen Herausforderungen sieht der Bundesverband Pflegemanagement die Krankenhäuser in den kommenden zwei bis drei Jahren?

In den kommenden Jahren wird vor allem das wirtschaftliche Überleben im Vordergrund stehen. Etwa 60 Prozent der deutschen Kliniken schreiben momentan rote Zahlen. Die Sorge der Krankenhäuser wird außerdem durch Studien wie die der Bertelsmann Stiftung gefördert, die besagen, dass 600 Krankenhäuser in Deutschland völlig ausreichen würden. Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen besteht außerdem noch die Frage, inwieweit einzelne Kliniken sowohl im ärztlichen als auch im pflegerischen Bereich entsprechende Fachkräfte akquirieren können, um die Patientenversorgung zu gewährleisten. Außerdem müssen wir den medizinischen Fortschritt in der Zukunft betrachten. In den kommenden Jahren werden wir uns die Frage stellen müssen, ob denn wirklich alles, was sich in einigen Jahren medizinisch umsetzen lässt, auch wirklich sinnvoll ist.


Peter Bechtel ist Vorsitzender des Bundesverbandes Pflegemanagement e. V.; Pflegedirektor am Universitäts-Herzzentrum Freiburg · Bad Krozingen; Geschäftsführer der Theresienklinik Bad Krozingen.

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