Personalmanagement der Zukunft
Interview mit Martina Henke von der Sana Kliniken AG
Pflegepersonaluntergrenzen stellen das Pflegemanagement im Krankenhaus vor große Herausforderungen. Laut Martina Henke von der Sana Kliniken AG wird der derzeit praktizierte bedarfsgerechte Pflegepersonaleinsatz nicht mehr flexibel möglich sein. Gleichzeitig ermöglichen die gesetzlich vorgegebenen Strukturvorgaben neue vertikale Karrierewege in der Pflege und die Chance für eine Imageverbesserung.
In Deutschland soll es ab 2019 Personaluntergrenzen in vier pflegeintensiven Bereichen geben. Sehen Sie Untergrenzen als den richtigen Weg?
Das sehe ich definitiv nicht, vor allem weil es in dieser Verordnung nur um vier pflegesensitive Bereiche geht. Ich sehe jeden Fachbereich in einem Krankenhaus als pflegesensitiv an und bin auch mit der Auswahl, die aus meiner Sicht nicht evident ist, überhaupt nicht einverstanden.
Wie sollten Personaluntergrenzen Ihrer Meinung nach aussehen, damit sie effektiv und umsetzbar sind?
Wenn wir über Pflegepersonaluntergrenzen sprechen, dann dürfen diese nur über den patientenindividuellen Pflegebedarf ausgelöst werden. Und da wir derzeit in Deutschland kein Pflegepersonalbemessungsinstrument haben, wird es Zeit, dass sich sowohl die Selbstverwaltungsorgane, aber auch die Pflegewissenschaftler zu diesem Punkt äußern. Sie müssen ein einheitliches Instrument für den deutschen Krankenhausmarkt entwickeln und dann über die entsprechenden Gesetze etablieren.
Etwa 36.000 Stellen fehlen laut Zahlen der Bundesregierung im Bereich der Pflege. Sind Untergrenzen vor diesem Hintergrund überhaupt umsetzbar?
Das wird zur jetzigen Zeit überhaupt nicht umsetzbar sein. Im Krankenhausbereich sprechen wir derzeit von 10.000 offenen Stellen. Und das merken wir Pflegemanager im operativen Geschäft permanent. Wir haben kontinuierlich Personalakquiseverfahren am laufen und gehen mittlerweile auch sehr aggressiv auf unsere Mitbewerber zu, um das knappe vorhandene Personal für unsere Unternehmen zu gewinnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mit der Veränderung des Pflegeberufegesetzes in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine deutliche Verbesserung geben wird. Dennoch begrüße ich das Gesetz aufgrund der Etablierung einer generalistischen Ausbildung sehr.
Weiterhin gibt es die Befürchtung, dass Stationen ohne Untergrenze durch die neue Regelung leiden und mit weniger Personal ausgestattet werden als vorher. Wie könnte das verhindert werden?
Sie sprechen die Pflegepersonalverlagerung an. Diese wird vom Gesetzgeber im Pflegepersonalstrukturgesetz benannt und droht an, Personalverlagerungen mit Sanktionen zu belegen. Ich glaube nicht, dass sich Personalverlagerungen vermeiden lassen, wenn Krankenhäuser kurzfristig auf diese Untergrenzen reagieren müssen. Pflegemanager werden aufgrund der jetzigen Marktsituation keine andere Möglichkeit haben, als entweder das Personal zu verschieben, was aus meiner Sicht absolut schwierig erscheint, oder letzten Endes auf der Leistungsebene dort die Behandlungszahlen runterzufahren.
Und was müssten Krankenhäuser aus Ihrer Sicht tun, um die Untergrenzen einhalten zu können?
Es gibt regionale Unterschiede innerhalb des Markts. Wenn wir uns den Fachkräftemarkt anschauen, dann sind Ballungsgebiete von einem enormen Fachkräftemangel betroffen, sodass man natürlich im ersten Moment auf die Ausbildung setzt. Da kommt uns das Pflegepersonalstärkungsgesetz entgegen, indem das erste Ausbildungsjahr finanziert wird. Das wird die Ausbildungsquoten und Übernahmequoten deutlich erhöhen. Im zweiten Schritt sollte man auch auf den ausländischen Fachkräftemarkt schauen und versuchen, ausländische Pflegekräfte zu rekrutieren. Da ist man bei der Sana Kliniken AG schon ziemlich weit und hat viele positive Erfahrungen gemacht. Wir müssen schauen, dass wir die ausgebildeten Akademiker in unsere Krankenhäuser bekommen, letzten Endes auch, um die hochkomplexen Pflegemaßnahmen evident und handlungsorientiert zu bearbeiten. Das wären die ersten wichtigen Maßnahmen, die Krankenhäuser aus meiner Sicht unternehmen müssten.
Tenor in der Politik ist, dass der Beruf Pflege vor allem durch höhere Gehälter und die Abschaffung der Schulkosten für Auszubildende attraktiver gemacht werden soll. Sind finanzielle Anreize da wirklich ausreichend?
Grundsätzlich ja. Das sieht man schon daran, dass sich Pflegekräfte gerade in Ballungsgebieten den entsprechenden Wohnraum in der näheren Umgebung teilweise nicht leisten können und deshalb lange Anfahrtswege in Kauf nehmen, um ihre neue Arbeitsstelle zu beginnen. Ich glaube aber nicht, dass höhere Gehälter alleine ausreichen. Es geht prinzipiell darum, dass das Image der Pflege deutlich verbessert wird. Da ist das Pflegemanagement auch aktiv angesprochen. Wir müssen dafür sorgen, wieder gut, interessant und innovativ über diesen Pflegeberuf zu sprechen. Es ist eine große Herausforderung nach den Jahren des Mangels, jetzt wieder eine Kehrtwende in der Kommunikationskultur herzuleiten. Das ist ein wichtiger Schritt. Jeder Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass die Team- und Führungskultur von einer hohen Qualität ist, sodass die Mitarbeiter gerne kommen. Und was noch viel wichtiger ist: auch, wenn es geht, viele Jahre bleiben.
Martina Henke leitet den Konzernbereich „Unternehmensstrategie Pflege“ der Sana Kliniken AG und ist für die strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung der Pflege im Sana-Verbund verantwortlich. Zuvor fungierte Sie unter anderem als Sprecherin der Pflegedirektorinnen des Vivantes-Konzerns sowie als Pflegedirektorin im Vivantes Klinikum Friedrichshain.
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