Digitalisierung fördert die Arbeitgeberattraktivität – das UKE zeigt, wie es geht
Interview mit Michael van Loo, Leiter des Geschäftsbereichs Personal des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)
Angst vor Innovationen? Ressentiments gegen die digitale Personalakte? Kritische Stimmen im Transformationsprozess? Michael van Loo kann solche Reaktionen auf die Digitalisierungsversuche seiner Personalabteilung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) nicht bestätigen. Im Interview berichtet er vor allem von den Menschen, die den Wechsel möglich machen – und von seinem Nutzen.
KlinikRente: Herr van Loo, wo sehen Sie das UKE beim Thema digitale Transformation im Krankenhaus?
Michael van Loo: Das UKE ist in den Bereichen Krankenversorgung, Forschung und Lehre im Vergleich zu anderen Kliniken in Deutschland sehr weit. Das Stichwort ist hier die elektronische Patientenakte – aber auch telemedizinisch sind wir hier und da ganz gut aufgestellt. Was die Administration angeht, ist noch Luft nach oben, und da unterscheiden wir uns wahrscheinlich auch nicht großartig von anderen Krankenhäusern in Deutschland.
Was sind denn die wichtigsten Elemente für eine digitale Transformation im Krankenhaus oder für die Digitalisierung allgemein?
Einmal muss der Wille, der Mut und die Risikobereitschaft der obersten Geschäftsführung und Leitung da sein. Dann ist es wichtig, die Leute mitzunehmen, und zwar bereits in der Entwicklung von digitalen Gedanken, Ideen und Strategien. So wird es dann bei der Umsetzung umso leichter. Das heißt, nur etwas von außen kaufen oder „top-down“ agieren, das funktioniert bei der Digitalisierung nicht und ist auch nicht ratsam.
Was hat Sie denn dazu bewegt, das Projekt „Digitale Personalabteilung“ anzugehen? Und wo stehen Sie heute?
Zum einen waren es tatsächlich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Personalabteilung selbst, die bereits sehr innovativ eingestellt waren, als ich hier ins Unternehmen kam. Sie hatten viele Ideen, Wünsche und Visionen. Von daher war es für mich leicht, das Projekt auf diesem Nährboden aufsetzend zu beginnen. Von meinem Anspruch als Personaler her kommend, sehe ich die Personalabteilung aber auch wirklich nicht mehr im ursprünglichen und herkömmlichen Sinne als Personalverwaltung. Das Basisgeschäft musste immer schon laufen und soll digital funktionieren, aber es sollte darin resultieren, dass man insgesamt mehr Zeit und Energie hat, um sich tatsächlich strategisch oder personalpolitisch ins Unternehmen einzubringen, im Sinne von Service und Innovation.
Und wo stehen Sie heute?
Die Basis ist jetzt da und wir haben die ersten digitalen Erfahrungen gesammelt. Stichworte sind hier die Berichterstattung an den Manager über ein Portal, aber auch die digitale Personalakte in der eigenen Abteilung. Diese Dinge haben wir sozusagen langsam „hochgefahren“ und jetzt können wir darauf aufbauen, mit elektronischen Workflows komplett über Prozessschrittkontrollen, also Employee Self-Services, Manager Self-Services und dergleichen. Das sind jetzt die nächsten Schritte.
Was ist der größte Vorteil für das Unternehmen, den Sie jetzt durch die Digitalisierung der Personalabteilung erfahren durften?
Zunächst einmal wäre das eine höhere Zufriedenheit bei meinen eigenen Beschäftigten. Personaler sind nicht mehr so ohne Weiteres auf dem Markt zu finden, und gute schon gar nicht. Auch da muss man also in Sachen Infrastruktur und Modernität etwas bieten, und da sind wir mittlerweile entsprechend attraktiv. Außerdem haben wir die Möglichkeit, durch die digitalen Erleichterungen entsprechend mehr Arbeit zu schaffen, und zwar bei steigender Qualität. Wenn man zum Beispiel die Abrechnungsqualität nimmt oder auch die Geschwindigkeit von Dienstreiseabrechnungen, dann haben sich diese Dinge sehr verbessert. Und das kommt bei den Kunden gut an.
Was war denn die größte Herausforderung der Digitalisierung der Personalabteilung? Gab es Hürden und Hindernisse, auf die Sie gestoßen sind? Und wie haben Sie diese dann gelöst?
Die Mannschaft hatte immer schon Ideen und war innovativ. Aber die Frage ist: Warum ist die Abteilung nicht schon viel eher den Schritt gegangen? Sicherlich hängt viel von der Persönlichkeit ab, die sich für so einen Bereich stark macht. Aber eben auch von der Überzeugungskraft dieser Person gegenüber dem Management. Die Management-Ebene muss allerdings genauso mitziehen. Sonst könnte es heißen: „Warum sollen wir euch da unterstützen? Wir haben ja schon die Patientenakte, wir haben die Telemedizin et cetera – das sind genügend teure Baustellen für ein Unternehmen in Sachen Innovation und Digitalisierung.“ Im Grunde sind wir ja so etwas wie ein Sekundär- oder Tertiärdienstleister im eigenen Unternehmen. Warum sollte das Management dafür so viel Geld in die Hand nehmen? Das zu erreichen kostet viel Überzeugungskraft und -arbeit. Hilfreich waren in dieser Hinsicht die ersten „Quick-Wins“ – die ersten Erfolge.
Gab es denn in der Belegschaft Widerstände? Die digitale Personalakte ist ja schon etwas Neues. Wir sind doch Gewohnheitstiere und lieben unseren Standard, unseren Status quo. Gab es da Stimmen, die erst mal gerufen haben „Ich möchte weiter mein Papier haben“?
Es gibt weniger kritische Stimmen, als man so einem Transformationsprozess immer gerne andichtet. Es ist nicht so, dass heute alle Menschen ab 50 keine Computer oder keine iPhones nutzen oder dergleichen. Und gerade in einer Administration ist es seit jeher Technik und IT oder EDV, die da angewandt wird – wenn auch Oldschool. Deswegen besteht eine gewisse Offenheit bezüglich dieser Dinge. Selbst mein über 70jähriger Vater hat ein Smartphone und ein iPad. Das ist nicht so die große Hürde. Vor allem haben wir es ja gar nicht mit einer Gefahr zu tun, wie es in der Industrie häufiger übertrieben dargestellt wird. Wir haben ja hier keine Gefahr für die Beschäftigten, im Sinne von Robotern, die die Arbeitskraft ersetzen. Hier haben wir wirklich eine Neuerung, die nicht nur zeitgemäß ist und die Qualität hier und da steigert, sondern eine Neuerung, die auch wirklich den Arbeitsplatz wieder so gestaltet, wie man ihn sich vielleicht als Personaler früher selbst gewünscht hat. Also, bevor man in Bürokratie und Akten unterging!
Welche großen Herausforderungen sehen Sie denn für die Personalabteilungen der Krankenhäuser in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Wenn man die Personalabteilung sozusagen als „Überschrift“ nehmen möchte, dann muss man wirklich differenzieren. Das eine ist die Personalverwaltung und -administration, und das andere ist der Part des strategischen Personalers, der in der Hierarchie sicherlich in Richtung Geschäftsführung, in Richtung Arbeitsdirektor und Vorstandsposten denken muss. Da sind die Krankenhäuser noch lange nicht so weit in Deutschland. Aber es ist aus meiner Sicht erforderlich, wenn man sich die DAX-Unternehmen beispielsweise anschaut, bei denen man hier und da eine Trennung zwischen Administration und Strategie findet. Im UKE sind diese Aufgabenbereiche in einer Person, in einer Funktion vereint. Das ist auch vielleicht machbar, aber wichtig ist, dass dem Personalmanagement ein höherer Stellenwert zukommt. Denn die Herausforderung der nächsten 20, 30 Jahre ist ja am Ende das originäre Kerngeschäft, genau wie heute. Und das ist – digitale Transformation hin oder her – nur mit qualifiziertem Personal machbar. Und davon gibt es, wie wir wissen, zu wenig. Warum auch immer. Daran können wir nichts ändern. Das ist aus meiner Sicht ein politisches und gesellschaftliches Problem. Fakt ist: Im Hause braucht es jetzt jemanden, der sich wirklich in Sachen Employer Branding, in Sachen Personalpolitik und attraktive Arbeitsbedingungen stark macht – und dann dem Krankenhaus zu Attraktivität verhilft. Das ist aus meiner Sicht in Zukunft die Aufgabe des Personalers.
Michael van Loo ist seit 2008 Leiter des Geschäftsbereichs Personal des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und stellvertretender Personalvorstand. In seiner Funktion am UKE kümmert er sich vor allem um das Personalmanagement, die Verhandlung von Tarifverträgen und das Employer Branding. Das UKE wurde 2016 vom Bundesministerium FSFJ zum familienfreundlichsten Großunternehmen Deutschlands gekürt.
Seine bisherigen Erfahrungen und Best Practices hat van Loo als Herausgeber in dem Buch "Attraktiver Arbeitgeber Krankenhaus" festgehalten, welches im Sommer 2017 erschienen ist.