Leiharbeit ist keine Lösung
Interview mit Dr. Sebastian Ulbrich, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der PwC Legal AG
Der Pflegenotstand ist ein aktuelles Thema in Deutschland, zu dessen Problembewältigung von den Kliniken unter anderem auch auf Arbeitnehmerüberlassungen zurückgegriffen wird. Doch durch die Neuerung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes 2017 hat sich für Krankenhäuser und Pflegepersonal einiges geändert. Auch Teilzeitarbeit könnte langfristig vermehrt zum Thema werden, da gerade Berufe in der Pflege als Vollzeitstellen für potenzielle Arbeitnehmer zunehmend unattraktiv erscheinen. Was Krankenhäuser beachten müssen, wie sie eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung verhindern können und was die Neuerungen im Bereich der Teilzeitarbeit mit sich bringen, erklärt Dr. Sebastian Ulbrich, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der PwC Legal AG.
Herr Ulbrich, wo sehen Sie die größten Risiken für Krankenhäuser im Hinblick auf die Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes?
Die größten Risiken sehe ich im Hinblick auf die Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflicht. Man muss klar bekennen, ob es sich bei der Leistung um eine Dienst- oder eine Werkleistung oder doch um eine Form von Leiharbeit handelt. Sich an dieser Stelle zu entscheiden war in der Vergangenheit nicht notwendig. Seit den Neuregelungen 2017 ist eine vorsorgliche Vorratserlaubnis nach AÜG allerdings nicht mehr zulässig. Dadurch besteht das Risiko, unbeabsichtigt in eine Form der verdeckten unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung zu geraten.
Wie sieht eine illegale Arbeitnehmerüberlassung aus?
Eine illegale Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn man eine Bereitstellung der Mitarbeiter über einen Dienstvertrag abbildet, obwohl in der Realität eine Überlassung von Personal, etwa aus der Servicegesellschaft in das Krankenhaus, vorliegt. Es fehlt in dem Fall eine klare Trennung. Die Mitarbeiter sind in die Betriebsabläufe eingegliedert und weisungsgebunden. In der Praxis wird zwischen dem Krankenhaus und der Servicegesellschaft nicht differenziert. Durch diese Gemengelage kann es passieren, dass es zu einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung kommt. Auch eine Privilegierung der öffentlichen Hand kommt nach dem TVöD nur für die Personalgestellung der Krankenhäuser in Betracht, nicht für etwaige Service-Gesellschaften. Auch dadurch kann ein rechtlich nicht mehr zulässiger Bereich der Überlassung entstehen.
Und welche Lösungsmöglichkeiten gibt es, um Risiken einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung zu vermeiden?
Da gibt es einige Lösungsmöglichkeiten. In erster Linie kommt eine generelle Überprüfung der Dienst- und Werkverträge in Betracht. Hierbei ist ganz besonders darauf zu achten, ob man die Leistung im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages erbringt und ob es sich dabei auch tatsächlich um eine Dienst- oder Werkleistung handelt. Das ist entscheidend, um nicht in den Bereich der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu geraten. Damit keine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, dürfen etwa keine Weisungsrechte in Bezug auf die Mitarbeiter ausgeübt werden. Eine weitere Lösungsmöglichkeit besteht darin, einen Gemeinschaftsbetrieb zu etablieren. Das würde so aussehen, dass sich die vorhandenen Gesellschaften mittels einer Führungsvereinbarung zu einem arbeitsrechtlichen Gemeinschaftsbetrieb verbinden. Dadurch ist eine Arbeitnehmerüberlassung ausgeschlossen. Das ist ständige Rechtsprechung und eine Möglichkeit, eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung zu verhindern. Konsequenz des Gemeinschaftsbetriebs ist eine einheitliche Arbeitnehmervertretung. Für diesen Lösungsansatz ist es erforderlich, die Umsetzung ordentlich zu planen, da gewisse Voraussetzungen unbedingt erfüllt werden müssen, damit tatsächlich ein Gesamtbetrieb vorliegt. In der Praxis sind viele Gemeinschaftsbetriebe etabliert worden, die in Wahrheit gar keine sind.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren 2017 in der Gesundheits- und Krankenpflege und bei Rettungsdiensten und der Geburtshilfe rund 28.800 Leiharbeiter tätig. Liegt die Zukunft in der Leiharbeit?
Auf keinen Fall, Leiharbeit ist eher die Ausnahme, denn die Zahl ist in Relation eher niedrig. Die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer in Krankenhäusern wird fest angestellt, eine Überlassung ist da eine Seltenheit. Leiharbeiter werden vornehmlich in den „Randbereichen“ gebraucht, dazu gehören jedoch nicht die Pflege- oder Arztberufe. Sicherlich werden auch in diesen Berufen hin und wieder Leiharbeiter von klassischen Zeitarbeitsfirmen ausgeliehen, aber grundsätzlich gibt es relativ wenig Berührungspunkte.
Was sind die Vor- und Nachteile von Leiharbeit aus Sicht der Arbeitnehmer und aus Sicht der Arbeitgeber?
Für die Arbeitnehmer gibt es nicht viele Vorteile, es überwiegen aus ihrer Sicht die Nachteile: man hat wechselnde Arbeitgeber, wird an unterschiedliche Unternehmen verliehen und hat eine gewisse Unsicherheit über die Weiterbeschäftigung. Allerdings kann man eine Stelle in der Leiharbeit nutzen, um wieder ins Berufsleben zu finden, da es möglicherweise leichter ist, bei einer Verleihfirma eine Anstellung zu bekommen und so in einem neuen Unternehmen langfristig Fuß zu fassen. Für Arbeitgeber ist die Leiharbeit vorteilhaft, weil kurzfristige Personalengpässe mit Leiharbeitnehmern überbrückt werden können. Außerdem kann man sich von Leiharbeitern leichter trennen, da sie nicht zur Stammbelegschaft gehören. Gegebenenfalls sind Leiharbeitnehmer in den ersten Monaten günstiger, da die neue „Equal-Pay“-Regelung erst nach neun bzw. 15 Monaten Anwendung findet.
Momentan fehlen etwa 36.000 Stellen in der Pflege. Wäre Leiharbeit eine Möglichkeit, um den Fachkräftemangel auszugleichen?
Nein. Leiharbeit gibt es eher in den Bereichen, in denen ein Überangebot an Personal besteht. Wenn die Mitarbeiter so gesucht werden wie in der Pflege, werden die Fachkräfte in der Regel direkt eingestellt, dadurch bedarf es keiner Leiharbeit. Bei der Nachfrage nach Fachkräften im Pflegebereich gibt es auch keine Schwankungen. Leiharbeit in der Pflege ist eigentlich nur eine Randerscheinung und deswegen auch nicht die Zukunft in dem Bereich. Zeitarbeitsfirmen verfügen in der Praxis gar nicht über so viele verfügbare Pflegekräfte, wie von den Unternehmen benötigt werden würden – der Engpass besteht dort ebenfalls.
Kommen wir von der Leiharbeit zum Thema Teilzeit. Viele Pflegekräfte wechseln nach einigen Jahren von einer Vollzeitstelle in eine Teilzeitstelle. Was sind die Vor- und Nachteile einer Teilzeitbeschäftigung für Krankenhäuser und Pflegekräfte?
Vorteil ist natürlich, dass der Mitarbeiter nicht komplett ausscheiden muss, sondern eine angepasste Arbeitszeit wählen kann. Natürlich ist es besser, nur noch mit 60 Prozent zu arbeiten, als die Arbeitszeit aus bestimmten Gründen ganz einzustellen. Letztlich profitieren beide Seiten davon. Bevor ein Unternehmen einen Mitarbeiter ganz abgeben muss, wird er in Teilzeit eingesetzt und kann später möglicherweise wieder in eine Vollzeitstelle wechseln.
Was bedeutet im Hinblick auf den Gesetzentwurf zur Brückenteilzeit die Verhinderung der Teilzeitfalle?
Bislang kann man nur unter engen Voraussetzungen wieder auf eine Vollzeitstelle aufstocken, wenn man seine Arbeitszeit reduziert hat. Wer einmal in Teilzeit ist, hat oft das Problem, dass er in Teilzeit bleiben muss. Es sei denn, der Arbeitgeber hat freie Stellen, die besetzt werden müssen. Ist das nicht der Fall, muss man warten, bis eine Stelle frei wird oder eine Aufstockung wieder möglich ist. Nach dem neuen Brückenteilzeitgesetz kann man in Zukunft im Vorhinein festlegen, dass man für eine gewisse Zeit Teilzeit beschäftigt werden möchte und danach automatisch in die Vollzeit zurückkehrt. Der Arbeitnehmer ist nicht mehr auf den Bedarf und die freien Stellen im Betrieb angewiesen, sondern entscheidet nach dem beantragten Zeitraum selbst, ob er wieder in Vollzeit arbeiten möchte. Der Mitarbeiter erhält dadurch einen durchsetzbaren Anspruch auf eine Vollzeitstelle, dies ist der herausragende Unterschied zur bisherigen Regelung.
Dr. Sebastian Ulbrich ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der PwC Legal AG Rechtsanwaltsgesellschaft in Frankfurt. Er berät seit 2006 vor allem Einrichtungen des Gesundheitswesens in allen Fragen des kollektiven und individuellen Arbeitsrechts.
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